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NICHT REDEN. Machen!

Auch Vera Scheuermeyer verschenkt Zeit. Sie packt an, wo Hilfe nötig ist: als Koordinatorin einer Seenotrettungs-Mission im Mittelmeer, Ärztin oder junge Synodale. Die 26-Jährige handelt aus christlicher Überzeugung und wünscht sich eine offene Kirche, die den Glauben lebendig hält.

Vielleicht war es „eine Dorfsache“, schon in jungen Jahren Verantwortung zu übernehmen, sich ausprobieren zu können. „Heute bin ich dankbar für diese Möglichkeiten“, sagt Vera Scheuermeyer. Aufgewachsen in Bechen im Bergischen Land nahe Köln, durchlebt sie eine klassisch-christliche Sozialisation. Besuch der evangelischen Kita und katholischer Grundschule, Ministrantin nach der Erstkommunion, mit 13 Jahren Eintritt in die Katholische Landjugendbewegung (KJLB) sowie den CVJM (Christlicher Verein Junger Menschen). „Bei allem, was der Ort zu bieten hatte, habe ich mitgewirkt“, erzählt die 26-Jährige. „Von Leiterrunden, über Chor, Ferienfreizeiten, Zeltlagern bis hin zu Jugendgottesdiensten.“ Als Teil einer gläubigen Familie und in Gemeinschaft junger Christinnen und Christen war Vera Scheuermeyer immer klar, „auf welcher Grundlage wir unser Zusammenleben gestalten. Ein selbstverständlicher Glaube, der nie zu präsent, aber immer da war.“ 

Ihre christliche Überzeugung, stets den ganzen Menschen, bestehend aus Körper, Geist und Seele, zu sehen (CVJM-Ansatz), spielte ebenfalls eine Rolle bei der Berufswahl. Nach Abschluss des Medizinstudiums in Gießen beginnt für die junge Ärztin in Kürze der Klinikalltag. „Und den möchte ich nach diesem Maßstab gestalten“, sagt Scheuermeyer.

„Anpacken! Machen! Mich einsetzen, wenn ich etwas bewegen will“, dieses Motto verfolgt die 26-Jährige seit ihrer Jugend im Bergischen konsequent. Zuletzt kehrte sie von einer mehrwöchigen Seenotrettungs-Mission der Nichtregierungsorganisation „Sea Eye“ zurück. „Diesmal war ich für die Koordination des Einsatzes der ,Sea Eye 4‘ und die Crew der Freiwilligen verantwortlich.“ Den Einsatz der Rettungsboote im Mittelmeer abstimmen, mit den Behörden und den Helfern an Land kommunizieren, sobald Flüchtlinge an Bord aufgenommen wurden, sowie das Training im Hafen vor dem Start der Mission: Das alles zählte zu ihren Aufgaben. Ihre erste Mission startete Vera Scheuermeyer 2020 noch als Köchin auf dem Schiff „Alan Kurdi“. „Da hatte ich keine Ahnung von Schifffahrt. Aber im Jugendzeltlager auf zwei Gaskochern für 40 Leute kochen – das konnte ich.“ 

Ich halte den Synodalen Weg für sinnvoll und denke, dass er sein Ziel erreichen wird. Frustrierend ist jedoch, dass sich die Dinge sehr, sehr langsam bewegen. Ich bin ein pragmatischer Mensch und vermisse daher die Verbindlichkeit. Bisher sehe ich wenig konkrete Veränderungen.

Mutig vorangehen, neue Schritte wagen sowie offen reflektieren, welche ihrer Fähigkeiten sie wirksam und sinnvoll einsetzen kann, das ist der jungen Ärztin nicht nur bei „Sea Eye“ wichtig. Als eine von 15 Menschen unter 30, die vom BDKJ (Bund der Deutschen Katholischen Jugend) ausgesucht wurden, am Synodalen Weg teilzunehmen, trägt sie dazu bei, Kirche neu zu gestalten, zu verändern. Doch Vera Scheuermeyer hadert: „Ich frage mich aktuell und persönlich, welches Wissen ich dazu effizient beitragen kann.“ Abbrechen möchte sie ihren Einsatz für den in 2020 gestarteten Erneuerungsprozess der katholischen Kirche in Deutschland dennoch nicht. Sie unterstützt nach wie vor die zentrale Forderung der jüngsten Synodalversammlung nach einer geschlechtergerechten Kirche, die Anerkennung der Geschlechtervielfalt und „wie Menschen ihre Sexualität leben“. Eine Diskussion darüber, ob zwei Menschen das Recht haben, sich zu lieben, sei heutzutage nicht mehr glaubwürdig, sagt die junge Synodale. Kirche müsse die Lebensrealität aller Menschen – und insbesondere der jungen – verstehen, wertschätzen und „anerkennen, dass sich die Welt weiterbewegt hat“.

Und so stellt sich für die 26-Jährige die Frage, wohin der Erneuerungsprozess steuert: „Ich halte den Synodalen Weg für sinnvoll und denke, dass er sein Ziel erreichen wird. Frustrierend ist jedoch, dass sich die Dinge sehr, sehr langsam bewegen. Ich bin ein pragmatischer Mensch und vermisse daher die Verbindlichkeit. Bisher sehe ich wenig konkrete Veränderungen.“ 

Für Vera Scheuermeyer besitzt der christliche Glaube viele Kernpunkte, die aktueller denn je sind und von denen Menschen im Alltag profitieren können. „Er ist im Leben verankert. So realitätsfern, wie der Glaube vielerorts vermittelt wird, wird die Kirche ihrer Aufgabe nicht gerecht.“ Diese sollte den Glauben lebendig halten und ins Leben bringen. Für die 26-Jährige muss Glaube zudem rebellisch sein: „Er sollte Machtverhältnisse oder gesellschaftliche Rollen infrage stellen und neu denken.“ Ihrer Meinung nach mache die Institution Kirche gerade genau das Gegenteil. 

Für die Zukunft wünscht sich Vera Scheuermeyer eine katholische Kirche, die partizipativ ist, die mit viel Freude und Kreativität die christliche Botschaft lebt und weitererzählt. „Offen, respektvoll und wertschätzend sollte sie allen Menschen gegenüber sein. Eine Kirche, die in erster Linie willkommen heißt und nicht verurteilt.“ Als Freiwillige, die sich im Vor-stand der Seenotrettungsorganisation „Sea Eye“ engagiert, liege ihr dies besonders am Herzen. Die katholische Kirche sowie die christliche Gemeinschaft haben die Verantwortung, so Scheuermeyer, hinzusehen, was vor den europäischen Außengrenzen geschehe. „Menschen, die so verzweifelt sind, dass sie den Fluchtweg übers Mittelmeer wählen, sollten nicht ertrinken. Aus christlicher und mitmenschlicher Überzeugung heraus sind wir als Kirche und Gesellschaft gut beraten, uns dort an die Menschenrechte zu halten.“

Dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist, auch das zeigen die Erfahrungen, die Franziska Strohmayr auf ihrer Tour gemacht hat: „Katholische Priester haben das Thema Geschlechtergerechtigkeit sehr gemieden. Oft wurde zwar angekündigt, welche Stücke ich spiele, aber nicht, was das eigentliche Thema meiner Tournee war. Wir redeten also über das Radfahren, über das Reisen – aber nicht über Frauen in der Kirche.“ Vor allem in Rom habe sie in der dortigen deutschen Gemeinde sehr konservative Verhältnisse angetroffen. „Gleichzeitig bin ich aber auch immer wieder Priestern und Ordensleuten begegnet, die der Idee, Frauen in allen Diensten und Ämtern zuzulassen, offen gegenüberstehen. Anders als in Deutschland, wo der Synodale Weg ja in vollem Gange ist, hat man in Italien über diese Frage offenbar noch gar nicht groß nachgedacht.“ Deshalb kann sie sich auch gut vorstellen, die Frauenfrage dezentraler zu betrachten: „Warum sollte man nicht in den deutschsprachigen Ländern Frauen schon zum Priesteramt zulassen, während andere Länder vielleicht sagen: Wir sind noch nicht so weit?“

Ich wünsche mir die Gleichberechtigung nicht nur von Frauen und Männern, sondern aller Menschen, egal welchen Geschlechts, welcher sexuellen Orientierung, welcher Herkunft in der katholischen Kirche.

Persönlich glaubt Franziska Strohmayr fest daran, dass sich in der Frauenfrage noch etwas tun wird. Als kleines Zeichen wertet sie die Zulassung von Frauen in Führungspositionen im Vatikan. „Ich wünsche mir die Gleichberechtigung nicht nur von Frauen und Männern, sondern aller Menschen, egal welchen Geschlechts, welcher sexuellen Orientierung, welcher Herkunft in der katholischen Kirche.“ Als sehr viel größere Aufgabe sieht sie den Abbau von Machtstrukturen: „Diese abzubauen und zu ersetzen durch ein gleichberechtigtes Miteinander ist sehr viel schwieriger, als das Priestertum für Frauen zu öffnen.“

Die Generation K finden Sie auch hier: 

www.kfd.de/generation-k

Stand: 14.10.2022